Vergangene Woche machte ich mit Katharina und Daniel einen Spaziergang über den Markt – und damit eine kleine Zeitreise. Sie erzählten mir von ihrer Schulzeit im angrenzenden Gymnasium. Der Schulweg führte sie acht Jahre lang über den Markt. Ich durfte sie begleiten und interviewte sie zu ihren Erinnerungen.

Meine beiden Zeitzeugen Katharina und Daniel kennen sich seit der Schulzeit. Sie besuchten von 1986 bis 1994 das ‚Sigmund-Freud-Gymnasium‘ (das erst seit 1989 so heißt). Sie sind seit der Maturareise ein Paar – aber das ist eine andere Geschichte.
Kathi ist außerdem eine Bloggerkollegin und führt den tollen Islandpferde-Blog ‚miia‚.
‚Es war immer ein rechtes Gedränge und es war eng.‘
Als erstes erfuhr ich, dass sich damals mehr Leute als heute auf dem Markt tummelten. In ihrer Erinnerung gab es am Markt immer ein Gedränge und es war eng.
Daniel: Damals war hier jeden Tag viel los. Die Schüler kamen über den Markt zur Schule. Wir sind immer selben Weg über den Markt gegangen, das war wie ein Trampelpfad. Außerdem hatten wir noch kein Schul-Buffet und viele deckten sich vor dem Unterricht bzw. zwischen Unterricht und Nachmittags-Turnen bei den Standlern mit Jause ein.
Katharina: Ich ging im ersten Schuljahr noch auf der Hinterseite des Marktes am Schulsportplatz entlang zur Schule. Die Mutter meiner Schulfreundin hatte ihr nämlich verboten, über den Markt zu gehen. Sie war ängstlich und wollte nicht, dass ihre Tochter über den ‚windigen Markt‘ geht, weil es da so ‚Gestalten‘ gäbe. Ok, hin und wieder sind wir trotzdem über den Markt und haben uns ziemlich verwegen gefühlt.
‚Bio und Schick war das nicht!‘
Kathi: Damals war’s ganz anders, Bio und schick war das nicht. – Das was es früher war, ist es heute gar nicht mehr.
Daniel: Der Markt war nicht so offen wie heute, die drübere Seite war zu (deutet auf die Ennsgasse Richtung Radingerstraße hin). In der Mitte vom Markt gab es Händler. Und Gewand wurde verkauft. In der einen Gasse wurden Schnitzelsemmerl verkauft und Hendl, das weiß ich auch noch.
Der rückwärtige Teil zur Schule hin (Anmerkung: da wo heute Container stehen und die Standler parken) war dreckig und pickert. Die Gegend rund um das Marktamt und das WC hat nicht besonders gut gerochen, daher haben wir es vermieden dort vorbeizugehen.
Kathi: Wir sind acht Jahre lang hier durch. Unsere Mütter wären nie hierher gekommen zum Einkaufen. Das war auch nicht besonders damals, deshalb wäre man nie extra hergefahren. Jetzt kommt meine Mutter schon her wegen dem Bäcker. Es ist jetzt ein ganz anderes Flair. Die ganze Gegend war nicht wirklich jugendfrei wegen dem Strich – aber Angst hatten wir nie!
‚Unsere Mütter wären nie hierher gekommen zum Einkaufen.‘
Kathi: In der Oberstufe waren wir zwischen Schule und Nachmittags-Turnen immer am Markt und kauften unser Essen. Ihr Burschen habt euch mit Wurstsemmerl und Schaumrollen eingedeckt. Und wir holten uns Ei-Aufstrich-Semmerl. Die waren so gut!
Daniel: Wir gingen immer zu den Standlern, zum Radatz, zum Greißler, da gab’s Käse-oder Wurst-Semmerl – oder zum Kebap-Standl. – Hier war das Kebap-Geschäft (zeigt auf Stand von Bio-Viertel). Da war Rush-Hour zur Mittagspause. Die waren irsinnig nett, die Schüler waren ja das Hauptgeschäft. Da sind wir bis hierher rausgestanden und die Betreiber haben immer schon rausgefragt, ‚Was kriegst du, und was kriegst du?, damit sie schon vorbereiten und schneller bedienen konnten. Die Frage war ‚Schap?‘ – ‚Das hieß ’scharf‘. Und die Antwort, das wurde ein stehender Spruch, war ’schap mit alles‘. Manche kauften sich auch von einem anderen Standl die riesigen Schaumrollen.
Katharina: Ich war Stammgast beim Radatz und holte mir immer ein Ei-Aufstrich-Semmerl für 5 Schilling, die waren so gut! (Anmerkung: der Radatz war da, wo das Big Garten jetzt ist). Daneben gab’s ein Fetzen-Geschäft, da gab’s so Kittel zu kaufen. Und meine Freundin holte sich von dort immer einen Golden Delicious-Apfel (deutet auf Obst- und Gemüse-Stand von A. Akifov).
Daniel: Irgendwann durfte ein Standler auf Initiative des damaligen Schulsprechers ein Schulbuffet mit Wurstsemmerln und Süßigkeiten eröffnen und betreiben. Und ein Cola-Automat wurde auch aufgestellt.
‚Der Betreiber hatte ein Heft, wo er die Beträge notierte, 20 Groschen, 40 Groschen.‘
Daniel: Da gab’s ein Zuckerlgeschäft; Fanta und Dosengetränke konnte man auch kaufen. Viele Schüler haben anschreiben lassen und irgendwann später in einem Schwung alles bezahlt. Ich hab das nie gemacht, weil ich nicht so oft hineingegangen bin. Der Betreiber hatte ein Heft, wo er die Beträge notierte, 20 Groschen, 40 Groschen.
Einmal bin ich reingegangen, hatte kein Geld dabei und und wollte ausnahmsweise später zahlen. Der Ladenbesitzer fragte nach meinem Namen. Als er ihn hörte, schaute er ins Heft und sagte, ‚Jö, du hast da ja eh noch 13 Schilling offen.’ Da war ich ziemlich baff. Die Sache klärte sich auf: Ein Schulkollege hatte auf meinen Namen anschreiben lassen. Wir sind aber heute trotzdem noch befreundet. :)
‚Die Standler reichten uns Äpfel und Semmerl durch den Zaun am Sportplatz‘
Wir stehen vor dem Maschendrahtzaun zur Sportbahn des Sigmund Freud-Gymnasiums.
Kathi: Hier sind wir gelaufen, wir Mädels mussten meistens 60 Meter rennen, die Burschen 100 Meter. Wir hatten natürlich immer am selben Tag Turnen. Die Standler kannten uns und haben uns manchmal Äpfel durchgereicht oder auch einmal ein Semmerl. Das war ein Gag, aber sie kannten uns ja. Danach sind wir bei ihnen vorbei und haben unsere Schulden bezahlt.
Und ihr fällt noch etwas ein: ‚Ich erinnere mich auch noch, dass ich die Standler vor Schularbeiten immer so beneidet hab. Ich dachte, die dürfen da so gemütlich bei ihrem Obst stehen und ich muss Schularbeit schreiben gehen.‘
Vielen Dank, dass ihr eure Erlebnisse mit uns geteilt habt!
Für mich wirft sich die Frage auf, wo die Schüler in der Mittagspause jetzt essen gehen. Ich habe nicht den Eindruck, dass viele Kinder und Jugendliche Kundschaft am Markt sind. Habt ihr auch Erinnerungen an früher? Hinterlaßt mir doch eure Geschichten als Kommentar hier!
Weiterführende Infos zur Geschichte des Marktes findet ihr hier: Geschichte Vorgartenmarkt
Die Fotos im Beitrag sind rund um 2010 entstanden, sie stammen aus der Zeit vor der Markt-Sanierung im Jahr 2012.